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KOREA

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 Die fehlenden Filmbeispiele werden zu einem späteren Zeitpunkt eingesetzt

 

Von 1971 bis 1976 entstanden während meines Ostasienaufenthaltes die hier gezeigten Aufnahmen. Zunächst im damals zugänglichen chinesischen Raum - Hong Kong und Formosa (Taiwan) - aus einem archivarischen Interesse, da in China seit 1966 bis zu Maos Tod 1976 die Kulturrevolution wütete und fast alles von dem zerstörte, was an ausgeübten, oft sehr alten Traditionen noch vorhanden war. Eine Jahrtausende alte Kultur starb vor meinen Augen.

 

Aus meinem unfangreichen Material machte ich einen konzentrierten Vortrag, den ich frei hielt, vor allem im Figurentheater-Kolleg, aber sinnigerweise auch in der Academie for Performing Arts in Hong Kong. Einen dieser Vorträge konnte ich 1979 in Ruit nicht selbst halten, weil sich die Geburt unserer zweiten Tochter kräftig verspätet hatte. Ich sprach den Vortrag auf Band, ließ ihn abtippen und bat meinen  Mitarbeiter Johannes Lenz die nicht unkomplizierte Präsentation von Text, Dias und Filmen zu übernehmen.

 

Meine Damen und Herren,

es gibt selbstverständlich viele Möglichkeiten, sich dem Figurentheater in Ostasien zu nähern. Ich möchte Sie heute nicht mit der Geschichte und den Hypothesen zur Entstehung des Figurentheaters in Ostasien traktieren, ich möchte über dieses erstaunliche und von uns bisher kaum gewürdigte Figurentheater auf dem Weg über die Augen etwas mitteilen.

Während meines mehr als fünfjährigen Aufenthaltes in Ostasien habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, mehrere Figurentheater filmisch festzuhalten. Ich habe Lichtbildmaterial von 13 Figurentheater-Varianten mitgebracht, von denen ich 12 in Filmbeispielen zeige. Ich vermute, daß kaum jemand von Ihnen eine oder vielleicht zwei der hier gezeigten Figuren-Varianten bereits in Bewegung gesehen hat. Mir kam es darauf an, typische Bewegungsabläufe und Führungstechniken zu zeigen. Sofern dies trotz aller technischen Unzulänglichkeiten gelingt, ist mein Anliegen erfüllt.

Gemeinsam ist allen hier gezeigten Figurentheater-Varianten aus Ostasien - und das ist gleichzeitig ein fundamentaler Unterschied zu Europa - daß Musik und Rhythmus eine zentrale Rolle spielen. Leider konnte ich den Ton nicht einfangen; hier muß ich Sie somit bitten stets an die Dominanz von Rhythmus und Musik bei diesen Aufführungen zu denken.

Ich sollte vorab noch sagen: Die hier gezeigten Figurentheater sind im Aussterben begriffen; dies trifft lediglich nicht auf die zwei Beispiele aus Indonesien zu. Ich zeige die letzten Reste von Figurentheater in Ostasien, die ihre Höhepunkte schon lange hinter sich gelassen haben. Könner sind nur noch selten dabei, sie sind dann sehr alte Menschen. Ein Nachwuchs ist nicht in Sicht, die Ausnahme bestätigt die Regel.

 

STOCKFIGUREN

 

Stockfiguren sind in Ostasien seit sehr vielen Jahrhunderten nachweisbar. Im seltensten Fall sind Stockfiguren - dies gilt ebenfalls für Handpuppen und Marionetten - Repräsentanten von Menschen. Im Figurentheater Ostasiens werden vielmehr Götter, Halbgötter, Geister, gottähnliche Menschen wie Helden, verstorbene Aristokraten usw. dargestellt. Dies erhält nicht nur seinen Ausdruck in der Pracht der Kleidung, sondern ebenfalls in der Art der fast immer stilisierten Bewegung.

Abgesehen von den bekannten Ausnahmen Flandern, Aachen, Köln iund einigen Schattenfigurenvarianten ist die Stockfigur erst in diesem Jahrhundert nach Europa gelangt und hat sich hier rasant verbreitet. Von China nach Moskau und von dort (Obrastzow sei Dank) in alle sozialistischen Länder oder von Indonesien (Wayang Golek) nach Wien. Richard Teschner hat sie meiner Meinung nach adäquat benutzt, indem er seine Bühnen "Figurenspiegel" und "Goldener Schrein" nannte und versucht hatte, die sakrale Dimension, die den ostasiatischen Stockfiguren so sichtbar zugrunde liegt, zu übernehmen. Erst nach Teschner und in Moskau hat die Stockfigur bei uns einen Verweltlichungsprozeß durchgemacht und übrig geblieben sind einige bequeme Führungstechniken.

 

KANTONESISCHE STOCKFIGUREN KURZ/LANG

 

Dieses Bild spricht für sich. Es zeigt die Größe und die selbstverständlich handgefertigte Pracht der Figur und das keinesfalls instrumentale Verhältnis von Mensch und Figur.

In der südchinesischen Provinz Kanton, zu der - geografisch - auch Hong Kong gehört, war diese Stockfigurenart sehr verbreitet. Heute gibt es nur noch einen mehr als 70 Jahre alten Mann, der weiß, wie man mit diesen Figuren gespielt hat. Er selbst spielt noch von Zeit zu Zeit und beschäftigt dazu einige Helfer. Gerade in diesem Monat spielte er das erste Mal in Europa, in Nordfrankreich und auf Vermittlung des Deutschen Instituts für Puppenspiel in Bochum und München.

 

 

Das ist der Kopf. Er wird aus Kampferholz geschnitzt - Kampferholz ist beständig gegen Insektenbefall - ausgehöhlt, mit einer Mechanik für Augen, die sich oben/unten, rechts/links bewegen können, manchmal auch eine Mechanik für die Augenlider und für den Mund. Der Haltestock ist mit dem Kopf fest verankert. Hier handelt es sich um einen Kurzstocktypus. Das Schulterstück ist deutlich sichtbar, es wird von unten über den Stock geschoben und dann mit einem ebenfalls klar sichtbaren Arretierstäbchen fixiert. Kampferholz ist schwer. Eine voll bekleidete Figur kann bis zu vier Kilo wiegen. Das halten Sie mal einige Minuten hoch über dem Kopf und singen und tanzen dazu.

 

 

Hier die schematischen Zeichnungen von einer Kurzstock- und einer Langstockfigur. Eine Kurzstockfigur ermöglicht weitaus variablere Bewegungen. Interessant ist hier die Führung der Hände durch innenliegende Stäbe. Zwischen den Händen und der Kopf-Schulterpartie gibt es keine starre Verbindung. Diese Figuren werden dem Zuschauer etwa bis zur Gürtellinie sichtbar.

 

 

Hier haben Sie den Mechanismus der innen geführten Stäbe, welche die Hände kontrollieren. Das hier sichtbare Unterkleid bestimmt in seinen Ausmaßen die Bewegungsmöglichkeiten der Arme. Das Unterkleid ruht auf dem Schulterstück; der Haltestock des Kopfes wird von oben durch das Halsloch des Unterkleids geführt, Schulterstück und Arretierstäbchen werden von unten in das Unterkleid auf den Haltestock gesteckt.

 

 

Hier wird die Führung einer solchen Figur demonstriert. Die eine Hand des Spielers führt den Kopf, die andere die beiden Stäbe.

 

 

Das Repertoire dieser Figurenart ist das der kantonesischen Oper. Der Figurenspieler muß also zunächst einmal Opernsänger und Tänzer gewesen sein, er muß nicht nur sprechen und singen gelernt haben, er muß auch die gesamte Choreografie der kantonesischen Oper beherrschen. Die Beine des Figurenführers werden zu den Beinen der Figur. Die ganze Vielfalt der stilisierten Schrittfolgen aus der Oper wird direkt übertragen in dieses Figurentheater. Jeder Schritt des Figurenführers wird als Schritt der Figur verstanden. Es gehört eine jahrzehntelange Praxis dazu, durch die chinesische Oper zu gehen, um dann mit dem erworbenen Können das Führen dieser Figuren zu meistern.

 

 

Das Maß an Perfektion, das an dieses Figurentheater gestellt wurde, können wir uns kaum vorstellen. Dieses Figurentheater war ständig dem direkten Vergleich mit der Oper ausgesetzt. Die chinesische Oper wiederum ist eine Veranstaltung, die schlichtweg von Perfektion geprägt ist.

 

 

Hier wird eine weibliche Figur geführt, zu der die Frau in Schwarz singt. Die männlichen Charaktere werden hier von den Figurenführern selbst gesprochen und gesungen. Ursprünglich wurden auch die weiblichen Charaktere von Männern gesungen. Für mich symbolisiert dieses Bild den traurigen Niedergang einer Figurenart, die an Großartigkeit wohl nur mit dem japanischen Bunraku-Figurentheater verglichen werden konnte.

 

 

Der folgende Film ist in der Bühne aufgenommen worden. Die Zuschauer sind links vom Bild zu denken. Die Aufnahmen entstanden während einer von Helga Werle-Burger in Hong Kong arrangierten Vorführung und Demonstration vor Ausländern 1972.

 

 

Die Langstockfigur dürfte der ältere Typ sein, er ermöglicht Gesänge, Gebete, Reden, jedoch nicht die beim Publikum so beliebten Kampfszenen, für  welche die Kurzstockfigur gebaut ist. Die Langstockfiguren können zudem weitaus schwerer sein, da ein aus Kampferholz gefertigter Oberkörper vorhanden sein kann. Die Figur wird vom Spieler getragen, wobei der Spieler den Stock mit einer Hand (falls er mit der anderen die Figurenarme manipulieren muß) oder mit beiden Händen etwa in seiner Hüfthöhe umfaßt. Die Bühne ist dem Tempel gegenüber aufgebaut. - Die Aufnahmen entstanden in den ländlichen Teilen Hong Kongs 1974.

 

 

 KOREANISCHE STOCKFIGUREN

 

Alleinstellungsmerkmal des hier vorgestellten südkoreanischen Figurentheaters - es versteht sich von selbst, daß im nordkoreanischen sozialistischen Einheitsstaat kein Figurentheater überleben konnte, es sei denn vielleicht in stark kastrierter Form zur ideologischen Indoktrinierung -  ist der fortdauernde Dialog zwischen Bühnenfiguren und Publikum (zeitweise vertreten von einem der vor der Bühne sitzenden und ihr zugewandten Musikern). Bemerkenswert ist ebenfalls eine sonst nur im Figurentheater der japanischen Insel Sado existierende nackte Holzfigur mit Schlenkerarmen und erigiertem und spritzendem Penis. Dieser Rote Kerl, Hong Tongji, ist der letzte Rest eines ehemals umfangreichen Fruchtbarkeitsrituals.

(Eine ausführliche Darstellung in deutscher Sprache zu den hier gezeigten Bild- und Filmbeispielen ist die bei uns 1981 erschienene Publikation des Koreanisten Dr. Hans-Jürgen Zaborowski: TRADITIONELLES PUPPENTHEATER IN KOREA. Zu finden in PUPPENSPIELKUNDLICHE QUELLEN UND FORSCHUNGEN Nr. 6, 1981, herausgegeben vom DEUTSCHEN INSTITUT FÜR PUPPENSPIEL).

 

Dies ist eine koreanische Stockfigur. Die hier abgebildete Figur ist die Hauptperson des koreanischen Figurentheaters Kkoktu kaksi norum. Sie äußert sich in unverblümter Weise sehr kritisch über alle Belange der Gesellschaft. Gerade diese Tatsache hat dieses Figurentheater an den Rand des Verschwindens gebracht, es ist offiziell verboten. Hinzu kommt, daß der Name dieser Hauptfigur dem Namen des heutigen Diktators von Südkorea ähnlich klingt. Früher erfreute sich dieses Figurentheater sehr großer Beliebtheit und war praktisch bei jedem Dorffest anzutreffen. Die Aufführungen dauerten viele Stunden, da sich zwischen dieser Figur und den Zuschauern lange Dialoge entsponnen.

 

 

Dies ist seine Frau

 

 

Dies ist seine Freundin

 

 

Dies ist der Rote Kerl. Er ist mit übernatürlichen Kräften ausgestattet, schlägt selbst die mythische Schlange Isimi in die Flucht.

 

 

Sie sehen hier, wie der Führungsstock in den Kopf fest eingesetzt wird. Der Kopf ist zwar dreidimensional, jedoch sehr flach, fast reliefartig gearbeitet. In diesem Bild hat der unbearbeitete Kopf zwei Gesichter, die Sie hier beide im Profil sehen.

 

 

Hier sehen Sie, wie das Schulterstück in den Führungsstock starr eingepaßt ist. Die Arme sind Schlenkerarme, die nur seitliche Bewegungen erlauben. Manchmal werden diese Armbewegungen auch durch Fäden kontrolliert.

 

 

Hier noch einmal die starre Verbindung des Schulterstücks zum Führungsstock.

 

 

Auch dies eine Stockfigur, die im koreanischen Figurentheater verwendet wird. Es fallen im koreanischen Figurentheater die extrem unterschiedlichen Größenverhältnisse der Figuren auf. Der Hauptcharakter hat einen menschengroßen Kopf, die unbedeutendsten Nebenfiguren haben Köpfe von der Größe einer Babyfaust.

 

 

Die Filmaufnahmen habe ich in Seoul auf einer privaten Veranstaltung gedreht, die Hans-Jürgen Zaborowski eigens für diesen Zweck eingerichtet hatte. Wir hatten uns damit beholfen, die Spielleiste zwischen die Türrahmen zu spannen. Zum Aufbau einer regulären Bühne kam es nicht. Ich erwähnte schon, daß Aufführungen dieses Figurentheaters offiziell verboten sind, es daher beträchtliche Mühe bereitete, aufführungsgerechte Bewegungsabläufe einzufangen. Die Aufnahmen entstanden 1975 in Seoul.

 

 

 

JAPANISCHE STOCKFIGUREN, INSEL SADO

 

Niemand, der das japanische BUNRAKU-Figurentheater in Japan je gesehen hat, welches ebenso zum offiziellen Kulturschatz der japanischen Nation gehört wie jahrhundertealte Gärten und Tempel, kann sich des überwältigenden  Eindrucks entziehen, hier die internationale Spitze teatralischer Kunst miterlebt zu haben. Unser vor allem in Deutschland hochsubventioniertes und höchst effektiv  und egoistisch von Kritikern, Verlagslektoren, Kulturdezernenten, Dramaturgen und Intendanten überwachtes Menschentheater erscheint im Vergleich hierzu fast durchgängig als eine ziemlich schwächliche Veranstaltung. Von literarischer Seite her kann sich das BUNRAKU-Figurentheater auf Texte shakespearescher Qualität stützen. (Hierzu haben wir in unserer Fachzeitschrift FIGURENTHEATER, Jahrgang 11 bis 13 einen ausführlichen Aufsatz veröffentlicht: Tomoya Watanabe, Anmerkungen zur Dramaturgie des BUNRAKU-Theaters I-VI). Als ich dieses Theater 1973 zum erstenmal sah, interessierten mich eventuell noch erhaltene Vorformen dieser Stockfigurenart.

Wie auch in Südkorea konnte ich meinen DAAD-Kollegen in Japan, Dr. Günter Zobel, für meine Figurentheater-Interessen gewinnen. Es gab noch eine selten aufgeführte Vorform des BUNRAKU aus der Insel Sado, der nordwestlichen Küste Japans vorgelagert. Es gelang, eine für japanische Touristen eingerichtete Aufführung zu filmen.

Wie auch im südkoreanischen Figurentheater, so gibt es auch im SADO-Figurentheater eine Figur mit erigiertem Penis, aus welchem Wasser gespritzt werden konnte. Und selbst der Bau beider Figuren ist fast identisch: Vollständiger nackter Holzleib mit aufgestecktem Kopf und Schlenkerarmen. Natürlich ist diese Figur der letzte erhaltene Teil eines umfangreichen Fruchtbarkeitsrituals, welches zumindest auf beiden Seiten des Japanischen Meeres bestand.

(Eine ausführliche Darstellung in deutscher Sprache zu den hier gezeigten Bild- und Filmbeispielen ist die bei uns 1980 erschienene Publikation des Japanologen Dr. Günter Zobel: SEKKYO-BUSHI UND NOROMA, JAPANISCHE PUPPENSPIELE VON DER INSEL SADO. Zu finden in: PUPPENSPIELKUNDLICHE QUELLEN UND FORSCHUNGEN, Nr. 5, 1980, herausgegeben vom DEUTSCHEN INSTITUT FÜR PUPPENSPIEL).

 

Die Bühne. Über eine Spielleiste wird ein Vorhang geworfen, als Hintergrund ebenfalls ein über eine horizontale Leiste geworfener Vorhang. Die Figuren sind in etwa bis zur Hüfte zu sehen.

 

 

Zwei NOROMA Figuren.

 

 

Hinter der Spielleiste. Die Köpfe der Spieler sind schwarz abgedeckt. Hier hält der Spieler die Figur (Kopf und Schulterstab) mit seiner linken Hand, mit der rechten hält er ein Schwert (hier einen Fan) und markiert damit den rechten Arm der Figur. Die Spieler selbst sprechen und singen nicht.

 

 

Ein NOROMA Kopf, etwa 300 Jahre alt, mit Haltestock. Die Spielerhand hielt zusammen mit diesem Haltestock lose einen horizontalen Stab, über den das Gewand gehängt wurde. Arme und Beine gab es nicht.

 

 

Der Rüpel Kinosuke. Die einzige Figur mit sichtbarem Leib, Armen und Beinen

 

 

 mit erigiertem Penis

 

 

Zum Ende des Filmbeispiels ist der Rezitator und Sänger zu sehen, der gleichzeitig die Shamisen spielt.

 

 

INDONESIEN

 

Es ist das einzige Land, in welchem Figurentheater zur Alltäglichkeit gehört. In diesem mit Ausnahme der Insel Bali islamischen Land hat sich das vorislamische Figurentheater nicht nur in kleinen Spuren erhalten, es lebt überall und wird sogar pädagogisch eingesetzt. Es soll mehrere Tausend Spieler geben.

 

WAYANG GOLEK

 

Das ist eine indonesische Stockfigur, aus Java, eine Wayang-Golek Figur. Sie war Vorbild der Figuren Richard Teschners, der, wie ich bereits erwähnte, zu Anfang unseres Jahrhunderts die Stockfigur nach Europa brachte. Ein vollständiger Satz dieser Wayang-Golek Figuren besteht aus etwa 80 Exemplaren verschiedener Größe. Jedem Figurensammler dürften diese Figuren bekannt sein, sie werden auf dem europäischen Markt in nicht zu geringer Anzahl angeboten, wobei jedoch ältere und schöne Stücke die Ausnahme bleiben. Meistens handelt es sich bereits um Stücke, welche für Touristen gefertigt werden.

 

 

Der Kopf steckt starr auf dem Führungsstock, der, wie Sie hier sehen, in einen Bananenbaumstamm hineingesteckt wird. Der Oberkörper ist um diesen Stock drehbar und er kann sich - was bei uns selten beachtet wird - heben und senken, die Figur atmet.

 

 

Die Arme werden durch außen liegende Stäbe, die durch eine Fadenkopplung mit den Händen verbunden sind, geführt.

 

 

Für diese Figurenart gilt besonders, daß es sich hier um götterähnliche Wesen handelt. Eine Figur ist, sobald sie gespielt wird, ein lebendes überirdisches Wesen. Der Figurenspieler ist mit übernatürlichen Kräften ausgestattet.

 

 

Alle Figuren werden von einem Figurenspieler, dem Dalang, geführt; der gesamte Text wird von ihm über viele Stunden lang gesprochen und gesungen. Ein großes Orchester von etwa zehn Musikern sitzt hinter ihm und begleitet ihn. Die Frauenstimmen werden von einer bei den Musikern sitzenden Sängerin vorgetragen.

 

 

Bei meinem Besuch in Indonesien hatte ich das Pech, daß weit und breit keine Aufführungen des Wayang-Golek Figurentheaters auszumachen waren. Mit der Hilfe meiner Kollegin vor Ort Frau Napitupulu-Schoch engagierten wir daher einen Figurenspieler, der sich bereit erklärte, auf einer privaten Party vor der Kamera einige kurze Szenen zu spielen. Zu einem regulären Bühnenaufbau kam es dabei nicht. Der Bananenbaumstamm, der, wenn Sie so wollen, als Spielleiste dient, ist in einer regulären Bühne etwa 8 Meter breit. Jede Figur wird auf charakteristische Weise verschieden geführt. - Die Aufnahmen entstanden 1974 in Jakarta.

 

Film--------

 

WAYANG KULIT

 

Das sind die berühmten indonesischen Schattenfiguren, Wayang-Kulit aus Java. Historisch gesehen sind sie älter als die Wayang-Golek Figuren. Ich habe sie jedoch hier eingeordnet, um zu zeigen, daß diese Figurenart in die Familie der Stockfiguren gehört. Auch diese Figurenart ist dem europäischen Sammler bekannt, für sie gilt dasselbe, was ich in dieser Hinsicht über Wayang-Golek gesagt hatte. Schöne alte Figuren  sind auf dem Markt eine Rarität geworden. Die überaus farbig bemalten Figuren geben auf der anderen Seite des Spielschirms dunkle Schatten und Silhouetten. Die Farben sind nicht durchscheinend.

 

 

Daß es sich bei diesen Figuren, was das optische Erlebnis betrifft, viel eher um etwas handelt, was der Wirklichkeit entrückt ist, ergibt sich bereits aus der Tatsache des Schattenspiels. Eine Aufführung beginnt am Abend un dauert bis in die frühen Morgenstunden. Die Figuren, der Dalang, die Musiker und die Zuschauer bilden eine Erlebenseinheit. Die Nähe zur kultischen Handlung ist spürbar.

 

 

Auf dieser Seite des Spielschirms befinden sich neben dem Dalang das gesamte Orchester und ebenfalls Zuschauer. Es ist in diesem Figurentheater nicht so, daß die Zuschauer nur auf der dem Dalang entgegengesetzten Seite des Spielschirms sitzen dürften.

 

 

Sie sehen, wie die Figuren in den Bananenbaumstamm hineingesteckt werden. Am Spielschirm der Dalang, hinter ihm zwei der Orchestermusiker.

 

 

Die Figuren sind links und rechts in den Bananenbaumstamm gesteckt. Der Spieler, der Dalang, sitzt in der Mitte vor dem Spielschirm, er führt die Figuren, spricht und singt und gibt mit einem Fuß - zwischen erstem und zweitem Zeh einen Metallklöppel geklemmt - für das hinter ihm sitzende Gamelan-Orchester den Takt und die Einsätze an.

 

 

Ein Schattenspiel zu filmen ist so gut wie unmöglich, da keine eigenen Lichtquellen eingesetzt werden können. Mir kam bei dieser Aufführung die Sonne zur Hilfe, die glücklicherweise auf der richtigen Seite der Spielleinwand schien. Es handelte sich um eine vormittägliche Probe im Sultanspalast zu Yogjakarta, 1974.

 

Film----------

 

CHINA

 

SCHATTENFIGUREN, FUKIEN

 

Diese Variante chinesischer Schattenfiguren ist bisher kaum bekannt geworden. Bekannt ist vor allem jene Variante aus der Provinz Szechuan, wo sie hauptsächlich am Kaiserpalast in Chengdu gespielt wurde. Dr. Max Bührmann hatte sie gesammelt und in Deutschland einige Aufführungen mit ihnen eingerichtet. Ich stand mit ihm von Hong Kong aus im schriftlichen Kontakt, ein persönliches Treffen kam nicht mehr zustande, da er wenige Monate vor meinem Eintreffen im Sommer 1976 in Bochum verstorben war. Sehr gute Exemplare dieser Schattenfiguren befinden sich im Ledermuseum in Offenbach.

 

Die hier gezeigte Figurenart kommt ursprünglich aus der Provinz Fukien, die der Insel Formosa gegenüberliegt. Die Aufnahmen wurden bei einer Truppe gemacht, deren Schattenspieler-Vorfahren aus eben dieser Provinz vor etwa fünf Generationen nach Formosa ausgewandert waren. Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß sich diese Figurenart noch in Überresten erhalten hat.

 

 

Wie bei anderen chinesischen Schattenfiguren-Varianten sind auch diese Figuren farbig durchscheinend. Das besondere dieser Variante ist, daß die Figuren horizontal mit Stöcken geführt werden, so wie wir es von der Führungstechnik des türkischen Schattentheaters her kennen. Diese Führungstechnik erlaubt, wie Sie gleich sehen werden, sehr aggressive Bewegungsabläufe. Schattentheater, das bei uns sehr oft gleichgesetzt wird mit ruhigen, lyrischen oder besser gesagt mit verniedlichenden Bewegungsabläufen, erhält mit der hier vorgestellten Stockfigurentechnik ganz andere Möglichkeiten.

 

 

In den hier gezeigten Szenen haben wir es mit einem chinesischen Märchen zu tun, in dem ein Mönch mit übernatürlichen Kräften ausgestattet ist und sich mit Dämonen herumschlagen muß. Die Truppe, bei der diese Aufnahmen gemacht werden konnten, scheint die einzige mit dieser Figurenart zu sein. Sie hat Gastspielreisen in die USA und nach Frankreich bereits hinter sich.

 

 

Die Filmaufnahmen entstanden 1974 auf Formosa (Taiwan)

 

Film-------------

 

 STOCKFIGUREN, SWATOW

 

Ich habe Ihnen nun von einer äußerst seltenen Stockfiguren-Variante zu berichten., die sich aus dem soeben gezeigten Schattentheater entwickelt hat. Es handelt sich um die sogenannten Swatow-Figuren. Sie sind nur in einem geografisch sehr eng begrenzten Bereich an der südchinesischen Küste nachzuweisen.

Außer den Figuren, die sich in meinem Besitz befinden, scheint es in Europa lediglich zwei weitere Exemplare zu geben und zwar im Museum der Stadt Chrudim in der Tschechoslowakei. Erst nachdem ich sie dort identifiziert hatte, konnten sie auch ausgestellt werden. Sie waren dorthin aus dem ehemaligen Privatbesitz von Herrn Prof. Jan Malik gelangt. Dieser hatte sie wiederum bei seiner China-Reise als Geschenk erhalten.

Als Weltsensation darf gelten, daß sich im Figurentheater-Museum Fey in Lübeck der vollständige Bestand einer Swatow-Figurentheater-Truppe befindet und zwar in einer sehr guten Verfassung. Herr Fey hatte diesen Schatz in Bangkok vor einem Jahr ausfindig gemacht und gekauft. Die Swatow-Leute sind eine sehr kleine Volksgruppe an der Südostküste Chinas mit eigener Sprache. Sie bilden eine festgefügte Gemeinschaft, der hervorragende Geschäftstüchtigkeit nachgesagt wird. In Bangkok muß es eine Gruppe dieser Leute gegeben haben, die dort eingegangen ist und ihr Theater hinterlassen hat.

In Hong Kong hat sich eine größere Gruppe dieser Swatow-Leute angesiedelt, mit eigenen Restaurants (doppelt gekochte Taube in Zitronensuppe!) und eben auch mit einem Figurentheater. Diesem Umstand verdanke ich die folgenden Aufnahmen.

 

Sie sehen hier die gesamte Bühne in Vorderansicht, sie ist gut  zwei Meter breit.

 

 

Hier die Bühne mit einigen dieser Figuren. Es sind dreidimensionale Figuren. Eine ähnliche Entwicklung von der Zweidimensionalität zur Dreidimensionalität haben wir ebenfalls in Indonesien, die Entwicklung vom Wayang-Kulit zum Wayang-Golek.

 

 

Hier sehen Sie, daß die Spieler hinter den mit reichen Verzierungen versehenen  Vorhängen sitzen und die Figuren an horizontalen Stäben führen.

 

 

Die Größenverhältnisse der Figuren und ihre Führung. Daß diese Figurenart nicht für große Zuschauerzahlen bestimmt ist, wird jedem einleuchten. Ursprünglich wurden diese Figuren auch nur vor dem Altar und nicht vor Zuschauern gespielt. Die Pracht der Austattung entspricht diesem sakralen Ursprung. Hierzu eine kleine Begebenheit: Es gab in Hong Kong einen alten Mann - übrigens auf diesen Bildern zu sehen - der diese Figuren spielen und herstellen konnte. Zu seinen Lebzeiten konnte ich ihn absolut nicht dazu bewegen, mir auch nur eine dieser Figuren zu verkaufen oder mir neue herzustellen. Seine Weigerung hatte damit zu tun, daß er den Zorn der Götter fürchtete. Die Figuren selbst waren beseelt und waren mächtig. Unmittelbar vor seinem Tod fertigte er einige wenige Figuren, die ich dann nach seinem Tod erwerben konnte.  

 

 

Hinter der Bühne, in den Zuschauerraum hinein aufgenommen.

 

 

Das ist der Führungsstab, in den die Figur im Rücken eingehängt wird.  

 

 

Das ist der Kopf, etwa walnußgroß.  

 

 

Hier noch einmal die Führungstechnik. Der Führungsstab wird in den Rücken eingehängt. Zwei Stäbe kontrollieren die Hände und somit die Arme der Figur. Kopf und Leib bestehen aus Gips. Das hierdurch erreichte Gewicht der Figur machte ihre horizontale Führung erst möglich. In den Rücken des Leibes wurde eine Metallplatte mit einer vertikalen Röhre eingearbeitet. In diese fest verankerte Röhre wurde von unten der Führungs- und Haltehaken des horizontalen Führungsstabes eingeschoben. Eine horizontale Drehung des Führungsstabes bewirkte somit eine vertikale Drehung (oder sanfte Neigung) der geamten Figur. Genial. 

 

 

Die Filmaufnahmen entstanden 1975 in Hong Kong. Die Bekleidungen der Figuren als auch die Vorhänge sind stark mit Goldfäden durchwirkt. Der in der Filkamera eingebaute automatische Lichtmesser hatte sich vor allem auf die Reflektionen durch diese Goldfäden eingestellt. Die Kleidung der Figuren ist mit unvorstellbarer Delikatesse gearbeitet und natürlich wurde gern und diskret auch der Reichtum zur Schau gestellt. Den Göttern konnte schwerlich etwas gut genug sein.

 

Film----------

 

HANDPUPPEN, CHINA

 

HANDPUPPEN, FUKIEN

 

Im Gegensatz zur europäischen Handpuppe ist die chinesische Handpuppe von Kopf bis Fuß Ausdrucksträger. Bei der europäischen Handpuppe konzentriert sich der Ausdruck auf den Kopf, Oberkörper und auf die Arme, was es ermöglicht, einen überproportional großen Kopf einzusetzen.

Nicht zu Unrecht mag man sich fragen, wieso es möglich ist, daß chinesische Handpuppen von diesen geringen Ausmaßen vor mehreren Hundert Zuschauern spielen können. Dazu gilt, daß - wie überhaupt in Ostasien - auch dem chinesischen Publikum jede Spielhandlung nicht etwa neu, sondern bereits alt und lange bekannt ist. Der Zuschauer erfreut sich nicht an der Darstellung einer neuen Geschichte, sondern an der Art der Darstellung einer ihm sehr gut bekannten Geschichte. Ferner ist die gesamte Handpuppe Ausdruckgeber. Es kommt nicht darauf an, die Gesichtszüge einer Figur erkennen zu müssen, Gesichtsbemalung und Kostüm, welche denen der chinesischen Oper entsprechen, kennzeichnen den Charakter ebenso wie ihr Bewegungskanon, welcher ebenfalls dem der chinesischen Oper entspricht.

 

Eine typische chinesische Handpuppe. Dieses Exemplar ist neu, es ist geschaffen für Aufführungen vor einigen Hundert Zuschauern. Aus diesem Grunde ist diese Figur größer als die chinesischen Handpuppen traditioneller Art. Hervorstechendes Merkmal der chinesischen Handpuppe ist die Proportionalität ihrer Körpermaße, eine Proportionalität, die dem menschlichen Körper entspricht. Unter dieser Voraussetzung kann eine chinesische Handpuppe grundsätzlich nicht größer sein als das hier abgebildete Exemplar; die Ausmaße der chinesischen Handpuppe werden durch die Größe der menschlichen Hand bestimmt.

 

 

Die chinesische Handpuppe steht, wie Sie hier deutlich sehen, mit den Füßen auf der Spielleiste. Die Spielleiste befindet sich direkt über den Köpfen der stehenden Spieler.

 

 

Dadurch, daß die Hand von der ganzen Figur umspannt wird, kann die Figur verblüffende dynamische Bewegungen ausführen. Dies kommt ihr besonders bei Kampfszenen und Trickszenen zugute. Die Zuschauer erfreuen sich gerade an technischen Rafinessen der Darstellung, wie sie vor allem in Kampfszenen gezeigt werden können. Eine größere Figur würde automatisch die extreme Beweglichkeit verlieren.

 

 

Vor allem für eine Vielzahl verblüffender Tricks werden bei diesen Handpuppen innen geführte Stäbe verwendet, wenn beispielsweise die Hand einer Figur mit dem Fächer wedelt, wenn eine solche Figur mit dem Bogen schießt, wenn sie mit Tellern jongliert oder mit einem Schwert atemberaubende Kunststücke verzeigt.

 

 

Der Film zeigt Aufführungen einer Truppe,  die von einem gerade über 30 Jahren alten Chinesen geführt wird. Auf der Höhe der Kulturrevolution floh er 1970 nach Hong Kong. Diese Truppe bereiste auf Einladung des DEUTSCHEN INSTITUTS FÜR PUPPENSPIEL im Herbst 1976 und im Frühjahr dieses Jahres die Bundesrepublik mit insgesamt mehr als 50 Aufführungen. Es waren die ersten Aufführungen eines chinesischen Figurentheaters im nichstsozialistischen Europa seit etwa 50 Jahren. Der Leiter dieser Truppe hatte die Kunst des chinesischen Handpuppenspiels bereits in sehr jungen Jahren von seinem Großvater erlernt. Dieser zeigte das chinesische Handpuppenspiel 1958 auf dem Festival in Bukarest und erregte dort beträchtliches Aufsehen. - Der Film wurde 1976 in Bochum aufgenommen.

 

Film-----------

 

HANDPUPPEN, FORMOSA (TAIWAN)

 

Diese Variante ist dem europäischen Figurentheater-Sammler nicht unbekannt. Sie wird in größeren Mengen in Formosa als Exportartikel hergestellt und  auf den europäischen Markt geworfen. Oft mit noch weitaus größeren Köpfen. Von nicht wenigen Sammlern wird sie fälschlicherweise für eine traditionelle chinesischen Handpuppe gehalten. Selbst in Ausstellungen, in denen sonst keine chinesischen Handpuppen dokumentiert sind, werden diese Figuren gezeigt. So interessant diese Figuren für einen europäischen Sammler sein mögen, sie gereichen ihm nicht zur Ehre.

 

Sie sehen hier die geschmacklose Pracht einer Bühnendekoration, bestimmt zu kommerziellen Zwecken vor Zuschauern. In der Mitte können Sie die Bühne erkennen mit zwei Handpuppen. Alles andere ist gemalte Dekoration.

 

 

Dieselbe Bühnendekoration. Eine Aufnahme aus der Nähe. Sie erkennen deutlich die Figuren.

 

 

Rechts sind die Zuschauer zu denken. Sie sehen hier eine Figur, die sich von den traditionellen chineischen Handpuppen stark unterscheidet. Der Kopf der hier gezeigten Figur ist weitaus größer, die am menschlichen Körper orientierte Proportionalität ist verlorengegangen. Diese Figurenart ist auf Formosa 1949 entstanden, sie ist ein kommerzielles Zugeständnis an die Zuschauer.

 

 

Interessant an dieser Handpuppen-Variante ist die Führungstechnik. Auch hier steht die Figur auf der Spielleiste. Die Spielleiste befindet sich jedoch nicht über dem Kopf des Spielers, sondern etwa in Kinnhöhe vor ihm.

 

 

Zwischen der Figur und dem Gesicht des Figurenspielers ist der Hintergrundvorhang eingehängt. Durch diesen Vorhang kann der Figurenspieler sehen, nicht nur die Figur, sondern auch die Zuschauer. Die Zuschauer wiederum können den Figurenspieler nicht sehen, da der Vorhang von der Zuschauerseite aus beleuchtet wird.

 

 

Aus dem europäischen Raum ist mir diese Variante der Führungstechnik nicht bekannt. - Von dieser Handpuppen-Variante kann ich keinen Film zeigen.

 

 

MARIONETTEN

 

CHINA, FUKIEN

 

Wir kommen zur Familie der Marionetten. Eine etwa zweitausend Jahre alte Marionette läßt sich in China nachweisen, womit die Ursprungsfrage der Marionetten geklärt sein dürfte. (Siehe hierzu meinen Beitrag 'ZUR URSPRUNGSTHEORIE DER MARIONETTEN IN CHINA' in unserer Fachzeitschrift FIGURENTHEATER, Jahrgang 14, Seite 24-27). Noch heutzutage konnte ich einwandfrei die sakralen Wurzeln der chinesischen Marionetten dokumentieren, in Burma sind diese zumindest noch recht nah.

Am Beispiel der  Marionetten aus der südöstlichen Provinz Chinas mit ihren Seehäfen, in denen sich seit mindestens zweitausend Jahren auch ausländische Kaufleute aufhielten - die Seidenstraße gab es auch auf dem Seeweg, und der römische Adel mochte auf Seidenstoffe nicht verzichten - aus dieser Provinz Fukien also kann wegen eines recht früh bestehenden starken Bedürfnisses nach öffentlicher Belustigung die Verweltlichung der Marionetten gezeigt werden. Hier und nur hier entwickelte sich die chinesische Marionette zu ihrer technischen Höchstform.

 

Sie sehen hier chinesische Marionetten aus der Provinz Fukien. Die Chinesen selbst sind der Ansicht, daß aus dieser Provinz die schönsten Marionetten gekommen seien. Sie werden mit etwa bis zu 30 Fäden kontrolliert und sind etwa einen halben Meter hoch.

 

 

Diese Figuren sind in Hong Kong hergestellt worden von einem Marionettenspieler, der während der Kulturrevolution etwa 1974 aus der Volksrepublik China nach Hong Kong flüchten konnte. Auch für diese Figuren und vor allem deren Führung gilt, daß wir hier nur noch einen Abglanz dessen sehen können, was einmal großartiges Figurentheater gewesen sein muß.

 

 

Die Figuren hängen an etwa zwei Meter langen, deutlich sichtbaren Schnüren. Da es keinen Grund gibt, die Anzahl der Führungsschnüre und ihre Länge als ein Kriterium für sakrales Marionettenspiel anzusehen, scheint die Wertschätzung eben dieser Kriterien auf einen recht frühen Verweltlichungsprozeß hinzuweisen.

 

 

Die chinesischen Marionetten, das gilt auch für andere Marionetten-Varianten in China, besitzen kein Führungskreuz, sondern ein Führungsbrett, das mit einer Hand gehalten wird. Die Finger der anderen Hand greifen in die Fäden hinein und führen auf diese Weise ohne Vermittlung eines Führungsholzes.

 

 

Die Aufnahmen wurden 1976 in Hong Kong gemacht.

 

Film---------

 

CHINA, KANTON

 

Die folgende Marionetten-Variante erhielt sich als einzige ihrer Art in den ländlichen Gebieten von Hong Kong. In der chinesischen Südprovinz, in der Provinz Kanton mit ihren mehr als 150 Millionen Einwohnern, zu der sprachlich und geografisch Hong Kong gehört, muß es tausende solcher Marionetten-Truppen gegeben haben. Es darf als sehr sicher gelten, daß keine von ihnen überlebt hat, denn seit dem Einzug des Maoismus 1949 hatten sakrale Festivitäten keinen Platz mehr, und was noch überlebt haben sollte, wurde endgültig während der Kulturrevolution von 1966 bis 1976 zerstört.

 

Sie sehen hier einen kleinen Dorfaltar, wie sie in Hong Kong und auf Formosa noch benutzt werden, in der Volksrepublik China seit 1949 nicht mehr geduldet werden.

 

 

Dem Altar gegenüber ist eine Marionettenbühne aufgebaut. Ich machte diese Aufnahmen in einem kleinen Fischerdorf weit außerhalb des Stadtgebietes von Hong Kong.

 

 

Hier sehen Sie die Bühne, besser gesagt das Bühnenhaus, in dem nicht nur die Marionetten und Marionettenspieler, sondern auch die Musiker mit ihren Instrumenten untergebracht sind; und gegenüber der kleine Altar. Die Kinder, die dort in dem Altar stehen, sind sich dessen bewußt, daß es sich um einen heiligen Platz handelt; sie würden nie auf den Gedanken kommen, dort etwas zu zerstören. Der traditionelle Chinese vor allem auf dem Lande lebt sehr eng mit seinen Göttern und Geistern zusammen. Sein Verhältmnis zu ihnen wird nicht durch abstandgebietende Ehrfurcht gekennzeichnet.

 

 

Hier eine der Marionetten. Die Zuschauer spielen keine Rolle. Erwachsene Zuschauer habe ich bei dieser Vorstellung so gut wie keine gesehen, lediglich mehrere Kinder. Ich habe auch Vorstellungen erlebt - um Mitternacht - bei denen ich mit meiner Fotoausrüstung der einzige Zuschauer war. Es wurde eben nicht für Menschen gespielt. Die hier gezeigte Figur werden Sie im nächsten Bild wiedersehen.

 

 

Das ist ein Hausaltar. Der Hausaltar des Marionettenspielers. Die Hausgötter sind hier drei Marionetten. Die linke ist jene aus der Aufführung. Ich kann mir keinen deutlicheren Beweis für die sakrale Dimension dieses Figurentheaters vorstellen. Das gilt zunächst selbstverständlich nur für diese Marionetten-Variante.

 

 

Ein Bild, das in Europa wohl undenkbar wäre.

 

 

Kürzere Führungsfäden für eine Marionette sind nicht vorstellbar.

 

 

Auch hier das Holzbrett, an dem die Führungsfäden befestigt sind. Nach oben ist am Holzbrett ein Haken angebracht, der wiederum in einem Faulenzer - der rote Ring - hängt.

 

 

Die Filmaufnahmen geben meiner Meinung nach einen guten Eindruck über einfaches chinesisches Marionettentheater aus vergangenen Zeiten, das ausschließlich sakralen Zwecken diente. Die Truppe, die hier spielte, ist sicherlich eine arme Truppe, die auch in vergangenen Zeiten nur für recht kleine Dorffeste verpflichtet wurde. - Die Filmaufnahmen entstanden 1975 in Hong Kong.

 

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BURMA

 

Zum Abschluß zeige ich die burmesischen Marionetten. Einzelne Exemplare sind vor allem in britischen Museen zu besichtigen - immerhin war Großbrittannien  Besatzungsmacht - aber niemand hatte sie jemals außerhalb Burmas in Bewegung gesehen, Filmaufnahmen existierten nicht. Ihre Konstruktion war kaum zu erkennen, sichtbar war jedoch ihr einzigartiges Führungsholz, ein doppeltes Kreuz in Form eines H, an welchem zwar alle Schüre hingen, über welches jedoch nicht alle Schnüre manipuliert wurden, da einige von ihnen direkt von den Fingern der anderen Hand des Marionettenspielers manipuliert wurden. Walter Kipsch, der vor dem Dritten Reich Hauslehrer bei den Magdeburger Schichtls war, berichtete, daß Xaver Schichtl das burmesische Führungskreuz übernommen hatte. Fritz Herbert Bross blieb seine Weiterentwicklung bis zur technischen Höchstreife vorbehalten, die Albrecht Roser dann benutzte.

Im Burma des 18. Jahrhunderts unterhielt jeder Prinz seine eigene Marionettentruppe, jeder wollte der Beste sein. Um Ausuferungen  einzudämmen, wurde am Königshof ein Minister für das Marionettenspiel eingesetzt, der dann regulierend eingriff. (Siehe hierzu FIDENA 1984 und unsere Fachzeitschrift FIGURENTHEATER, Jahrgang 16, Seite 3 bis 6).

 

Dies ist ein typisches Exemplar einer burmesischen Marionette. Die weit ausladende Schulterpartie ist ebenso ein Charakteristikum wie ein zwischengesetztes Halsstück, das ich von keiner anderen Marionettenart kenne. Auch dieses Figurentheater ist vom Aussterben bedroht, in ganz Burma soll es keine zehn Truppen mehr geben. Die burmesischen Marionetten - eine andere Figurenart existiert in Burma nicht - scheinen recht alt zu sein.

 

 

Hier sehen Sie die Größe dieser Marionetten, ebenso ist das Führungskreuz sehr schön zu sehen. Auch für das burmesische Marionettentheater gilt, daß die Figuren als lebende überirdische Wesen angesehen werden. So sind beispielsweise die Füße, die stets bedeckt sind, so fein geschnitzt, daß die Fußnägel erkennbar sind, nicht erkennbar jedoch für das Publikum. Gleiches gilt für die Geschlechtsorgane der Marionetten.

 

Auch in Burma hatte ich mit den Aufnahmen Glück im Unglück. Ich kam während der Regenzeit nach Rangoon, nichtwissend, daß Marionettenspiele während dieser Zeit nicht stattfinden. Ich engagierte also, wie vorher schon in  Japan, Indonesien und Korea erprobt, mit der Hilfe des ortsansässsigen DAAD-Kollegen eine Truppe für eine private Party. Auf diese Weise kam es zwar zu einer Aufführung, die mir Gelegenheit gab, Bewegungsbläufe filmisch festzuhalten, es kam jedoch nicht zu einem regulären Bühnenaufbau. Die Treppe, die Sie hier sehen, gehört nicht zur Bühne.

 

 

Der König, ein Halbgott, sitzt links auf seinem Thron, hier mit seinen beratenden Ministern versammelt.

 

Zwei halbgottähnliche Urwaldwesen beim Tanz. Sie sehen, wie der Marionettenspieler mit der freien Hand in die Schnüre greift, während die andere das Führungskreuz manipuliert. Sie sehen ebenfalls eine Besonderheit der burmesischen Schnürung: Die Schnüre sind zweigeteilt. Der erste Teil, von der Figur aus gesehen, ist etwa 15 cm lang und endet in einer Schlaufe. Der zweite, weitaus längere Teil bis zum Führungskreuz, ist mit dem ersten Teil durch einen in die Schlaufe des ersten Teils eingesteckten Knoten verbunden. Eine feste Verbindung, die schnell wieder aufgelöst werden konnte.  Aber warum?

Die Pflanzenwelt spielt in Burma eine besondere Rolle. Ich habe nie eine Stadt gesehen, die wie Rangoon im Grün eines subtropischen Urwaldes regelrecht versinkt.

 

 

Dieses Pferd ist im burmesischen Marionettenspiel eine Symbolfigur. Ich habe dieses selten schöne Exemplar dem Mariottenspieler an Ort und Stelle abgekauft. Es hängt nun in meinem Büro.

 

 

Die Tanzszenen des burmesischen Marionettentheaters, die Sie nun im kommenden Filmbeispiel sehen werden, waren die Vorlage für den burmesischen Tanz. Aus dem burmesischen Marionettentheater hat sich sein Tanztheater entwickelt. Ein seltener Weg. Er spricht für die tiefe Verwurzelung des Marionettentheaters in der Kultur dieses Landes. - Die Filmaufnahmen entstanden 1976 in Rangoon.

 

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Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DEUTSCHES INSTITUT FÜR PUPPENSPIEL