DAS FIGURENTHEATER-KOLLEG
Der Titel Ergänzungsschule wurde uns im Sommer 1977 wieder aberkannt, wobei der gleichzeitig gegebene Hinweis des Kulturdezernenten Odenthal aus Arnsberg, ich möge mir das recht neue Weiterbildungsgesetz des Landes NW ansehen sehr hilfreich war. Eine Unterrichtsstunde wurde finanziert, wenn die Anwesenheit von nicht weniger als 10 nicht mehr hauptschulpflichtigen Teilnehmern (per Anwesenheitslisten mit Unterschrift der Teilnehmer) nachgewiesen wurde; diese mussten Bewohner (nicht unbedingt auch Einwohner) des Landes NW sein und durften sich keiner Eingangsprüfung unterziehen. Das wirkte auf mich zunächst abschreckend, denn der Gesetzgeber hatte offensichtlich an Hausfrauen und Rentner gedacht, welche bei möglichst geringer Kursgebühr nachmittags oder abends Häkel-, Tanz- oder Denksportkurse besuchen sollten, vielleicht auch an jüngere Mitbürgerinnen und Mitbürger, denen der Besuch von Sprach- oder Töpferkursen am Abend erleichtert werden sollte oder sogar an Wochenendkurse für Ehepaare. Mit anderen Worten, die Angebote der Volkshochschulen sollten attraktiver gemacht werden, ohne den Rahmen des Volkshochschulfinanzierungsgesetzes zu sprengen.
Aus den Erfahrungen mit dem Schulbetrieb der vergangenen Monate war anzunehmen, dass eine Nachfrage für unsere Kursangebote bestand, es war aber auch klar, dass wir Projekte anbieten mussten, die mindestens eine Woche dauerten, allein schon aus Gründen der Qualität, denn nur mit den Geldern des Weiterbildungsgesetzes für 40 Stunden in fünf Tagen konnte herausragendes internationales Lehrpersonal bezahlt werden. Für das Honorar eines oder mehrerer Abendkurse oder auch eines Wochenendkurses konnten nur ortsgebundene Lehrkräfte bezahlt werden, wenn man nicht die Teilnehmer zu horrenden Kursgebühren heranziehen wollte, was sich für mich verbot, denn eine soziale Auslese der Teilnehmer über die Gebühren lehnte ich ab.
Eine weitere Klippe des Weiterbildungsgesetzes konnte durch die anvisierte Kursstruktur teilweise umschifft werden: Keine Hausfrau konnte einen 40-stündigen Wochenkurs besuchen, kein berufstätiger Mensch und wohl nur im seltensten Fall auch eine Rentnerin oder ein Rentner, junge Menschen waren die Zielgruppe, allerdings ohne Aufnahmeprüfung, junge Menschen von überall her, die während der Kursdauer in der Nähe des Kursortes wohnen mussten, das war technisch anders nicht möglich, womit sie dann auch Bewohner in NW waren. Keine Regel des Weiterbildungsgesetzes wurde verletzt und äußerst angenehm war, dass es sich nicht freiwillig von der Öffentlichen Hand aus dem Kulturetat gewährte Gelder handelte, sondern um gesetzlich zustehende Gelder, welche sofort zu zahlen waren. Diese waren so bemessen, dass Honorar-, Sach- und Verwaltungskosten bezahlt werden konnten. Odenthal staunte nicht schlecht, später rang er mir die Einrichtung einiger Abendkurse ab, nein, Akademie durfte das nicht heißen, aber Kolleg, Figurentheater-Kolleg.
Für die inhaltliche Ausgestaltung brauchte ich einen frischen und offenen Mitarbeiter von außen und erinnerte mich an meinen japanischen Studienkollegen Tomoya Watanabe aus Wiener Zeiten, von dem ich seit acht Jahren nichts gehört hatte. Er war in Europa und kam mit Frau und Kind nach Bochum. Zusammen entwarfen wir die inhaltliche Konzeption für das Figurentheater-Kolleg in Form einer offenen Kunstakademie für mediales Theater und begannen mit etwa 3000 Unterrichtsstunden bis Jahresende und planten etwa 8000 Unterrichtsstunden in 1978. Das war der pure Wahnsinn. Jede Unterrichtsstunde musste sicherheitshalber mit 12 Teilnehmern geplant werden, was bei fünf parallel laufenden Kursen immerhin mindestens 60 Kursteilnehmer gleichzeitig bedeutete, würden sie kommen? Sie kamen, aus der gesamten Bundesrepublik, aus Österreich und der Schweiz, wurden zu temporären Bewohnern unseres Landes NW, mussten sich keiner Aufnahmeprüfung unterziehen und durften nicht jünger als 16 Jahre sein. Von Beginn an stellte sich ein Durchschnittsalter von Anfang 20 Jahren ein, nur im Ausnahmefall war eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer älter als 30 Jahre.
Die Kursgebühr hatte ich auf 5 DM für einen Kurs von 40 Unterrichtsstunden in 5 Tagen festgesetzt, je Unterrichtsstunde somit gut 12 Pfennig, ein wahrhaft sozialer Preis. Als ich ihn einige Jahre später auf 7,50 DM anheben wollte, gingen einige Kursteilnehmer auf die Barrikaden, und ich konnte in der Zeitung lesen 'Klünder will die Kursgebühren um 50% erhöhen'. Mein Gleichgewichtsorgan versagte eine halbe Sekunde lang, denn wie sollte ich der Öffentlichkeit, den Steuerzahlern erklären, dass hier auf seine Kosten junge Menschen nicht unbedingt aus dieser Gegend kostenlos besten Unterricht in exotischen Fächern erhielten. Ich sagte nichts, erhöhte die Gebühr nicht.
Die Grundstufe bestand aus 12 Einzelkursen von je 40 Unterrichtsstunden in 5 Tagen, die nur im Paket gebucht werden konnten. Gleich lange Aufbaukurse schlossen sich an. Zum Ende der Aufbaukurse wurde eine Abschlussprüfung angeboten. Bei einem erfolgreichen Abschluss dieser Prüfung sollten keine erlernten Fähigkeiten bestätigt werden (beispielsweise die Befähigung zur Berufsausübung im Bereich Figurentheater), vielmehr wurde die vollständige Teilnahme an den vielen Projekten mit herausragenden Lehrbeauftragten in einem besonderen Dokument dokumentiert. Den Teilnehmern wurde ein hohes Maß an sozialem Verhalten abverlangt, die Begabten mussten sich einerseits durchsetzen, die anderen mussten sie andererseits tolerieren, denn die Gruppen durften nicht auseinanderfallen, weil dann die Finanzierung nicht mehr möglich gewesen wäre. Erst zum Ende der letzten Aufbaustufe wurde uns eine Finanzierung auch dann ermöglicht, wenn die Teilnehmerzahl auf bis zu 5 zurückging.
Der Grundkurs begann mit einer Art Antizivisilationstraining. Ich wollte die durch die Medien ständig verfestigten Seh- und Verhaltensgewohnheiten neutralisieren. Hierzu schlossen wir die Gruppe mit ihrem Dozenten fast zwei Wochen lang in einem abgelegenen Heim (Unterkunft und Verpflegung) in wunderschöner Mittelgebirgslandschaft ein. Ohne Fernsehen und Radio, Handys gab es noch nicht.
Spielen war angesagt, mit Materialien, die vor Ort zu finden waren. Die gruppendynamischen Prozesse waren teilweise heftig, aber unsere Lehrbeauftragten waren die besten, vor allem Waltraud Mohr-Goldmann aus der Schweiz und Hans Meier, den ich in Korea kennengelernt hatte. Es schlossen sich in Bochum dann nahtlos Kurse für Atem-, Sprech- und Körpertraining an. Und dann das freie Ausprobieren und Spielen mit allen denkbaren Materialien, welche zum Tönen und Darstellen geführt wurden. Musikinstrumente wurden gebaut, bevor in den Aufbaustufen Handpuppen, Marionetten und Stockfiguren gebaut wurden, stets in einer Formensprache, die es in Deutschland nicht gegeben hatte (mit Ausnahme der Figuren von Oskar Schlemmer und Harry Kramer).
Im letzten Drittel der Aufbaustufen war das Zusammenspiel mit dem Publikum angesagt, dieses Interaktionserlebnis sollte bewältigt und analysiert werden, da mich gerade diese Phänomene der Interdependenzen im Studium beschäftigt hatten, und ich wusste, wie grundlegend sie für darstellendes Spiel waren. So mussten die Teilnehmer eine Aufführung für Kindergartenkinder entwickeln, mit einer Aufführungsdauer von etwa einer halben Stunde und diese dann an fünf aufeinanderfolgenden Tagen am frühen Vormittag in fünf verschiedenen Kindergärten darbieten. Sie erhielten somit nicht nur einen Einstieg in die Organisation von Aufführungen, sondern erlebten zu ihrer Überraschung, dass keine der fünf Aufführungen der anderen glich, dass eine sogar misslingen konnte, obwohl doch nur Aufführungsort und Publikum gewechselt hatten.
Spätestens hier, in der Realität selbstverständlich viel früher, machten sich die Freunde aus der Berufspuppenspielerschaft bemerkbar, wir bedrohten ihre Existenz, nahmen ihnen Aufführungsmöglichkeiten weg, ließen Laien auf die Kinder los und überhaupt, mit Puppenspiel hatte das nichts zu tun und mit einer Ausbildung auch nicht. Mit einer Ausbildung nicht, damit waren sie im Recht.
Viele weitere freie Kurse wurden angeboten, stets mit der 40-Stunden Woche als organisatorischem Grundelement, Strassentheaterprojekte mit menschengrossen Figuren aus purer Phantasie gestaltet oder mit Großfiguren nach dem Vorbild von Schumanns Bread and Puppet Theatre mit einem seiner Mitarbeiter, Axel Gros, als Dozenten.
Das Figurentheater-Kolleg mit seinen vielen unabhängigen und selbständigen Persönlichkeiten als Kursteilnehmer und Dozenten entwickelte sich schnell zu einer eigenen Welt, auf die ich nur durch die Arbeitsverträge mit den von mir sehr sorgfältig ausgesuchten Dozenten und durch das Bereitstellen von möglichst akzeptablen Arbeitsbedingungen Einfluss nehmen konnte. Von Anfang an war mir klar, dass ich mir mit dem Kolleg einen Organismus geschaffen hatte, den ich einerseits zwar im lokalen Bereich für die Anliegen des Figurentheaters einsetzen konnte, der sich anderseits aber auch gegen mich als Institutsdirektor richten könnte. Dann hätte ich ein Problem.
Die Stadt Bochum erfuhr erst im Herbst 1977 auf einer Vorstandssitzung von der Existenz des Figurentheater-Kollegs, als für den Vorstandsbeschluss bereits alles in trockenen Tüchern war. Mit den anderen Vorstandsmitgliedern hatte ich mich einvernehmlich abgesprochen, das Inhaltliche im Kern mit Professor und Puppenspieler und das Finanzielle mit dem Sparkassendirektor, dem ich das Figurentheater-Kolleg als Nullsummenspiel darstellen konnte, Ausgaben niemals höher als Einnahmen und alle Einnahmen gesetzlich gesicherte Gelder. Ich war davon überzeugt, dass mir der Kulturdezernent das Kolleg oder zumindest seinen furiosen Beginn mit Engelszungen hätte ausreden wollen, denn er hätte sofort gesehen, welche Dynamik ich da in seine Stadt hätte bringen wollen, eine Dynamik, die er in keiner Weise kontrollieren oder manipulieren konnte, was fast jedem SPD-Menschen ungeheuerlich erscheinen musste. Und in der Tat ließ er uns ziemlich lange hängen, was die Bereitstellung von Räumlichkeiten anging.
Die Presse in dieser ach so provinziellen Stadt mit ihren 43.000 Einwohnern, nein, es waren, was ja alles so schlimm machte, 430.000 Einwohner, für diese Presse, zwei Tageszeitungen, war Figurentheater etwas aus dem Weltraum. Es gab das Stadttheater, und das war schon exotisch genug, ja, es wurde schwer subventioniert in dieser Arbeiterstadt, aber für wen? Arbeiter gingen da nicht hinein. Dennoch, aus irgendeinem undefinierten Kulturgefühl, welches den Arbeitern von der Minderheit der gehobeneren Mittelschicht eingeredet wurde, dieses Theater, und zwar ein gutes, leistete man sich, so wie man sich die Briefmarken, das Aquarium oder die Brieftauben leistete, die allerdings den Vorteil hatten, dass man bei denen wenigstens selbst zufassen konnte. Und das wars dann.
Für uns hatte diese Konstellation den Nachteil, dass wir in der Stadt für die räumlichen Nöte des Figurentheater-Kollegs über die Presse nur sehr schwer Druck aufbauen konnten, wobei wir anfangs darauf zu achten hatten, nicht in die Ecke von riechenden Asozialen, Schmarotzern und Nichtsnutzen gestellt zu werden. Diese Tendenz zur Diffamierung war vorhanden und wurde im nichtöffentlichen Raum geäussert.
Mit den ersten Straßentheater-Aktionen ging ich daher erst im Mai 1978 und dann als ausgewiesene Kunstaktion während unseres internationalen Festivals 'Figurentheater Der Nationen' in die Öffentlichkeit, vorher waren entsprechende Kurse nicht im Lehrplan angesetzt worden. Hier konnte sich die lokale Presse schlecht diffamierend äussern (sie versuchte es dennoch), da sie sich, wenn auch langsam und widerwillig an der überregionalen Presse messen lassen musste. Und diese nahm das vorher in der Bundesrepublik Deutschland nie Gesehene wahr, positiv.
Axel Gros, von Schumanns 'Bread And Puppet Theatre' aus New York kommend, hatte mit seinen Kursteilnehmern eine Aktion mit einer 6 Meter hohen Figur, Maskenspielern und Livemusik gebaut, ohne Text, die Magie aus den Bewegungen der Riesenfigur, einer Frau am Kaffeehaustisch sitzend, beziehend. Dieter Marks hatte mit seinen Kursteilnehmern Michel de Ghelderodes 'Die Ballade vom großen Makabren' mit einer 2-Meter Figur und alten Live-Instrumenten erarbeitet und eine weitere Gruppe ging jeden Festivaltag mit Fantasiefiguren und Masken in die Fußgängerzonen. Im Mai 1979 gab es fünf verschiedene Gruppen des Figurentheater-Kollegs, die zur FIDENA in die Öffentlichkeit gingen, darunter sicherlich bemerkenswert das von Tomoya Watanabe mit seinen Kursteilnehmern als Maskenspiel erarbeitete 'Glanz und Tod Joaquin Murietas' von Pablo Neruda, dem Tomoya Watanabe zusammen mit Harald Lutz zur FIDENA im Mai 1980 thematisch 'Die Perle' von John Steinbeck als Masken- und Pantomimenspiel folgen liessen.
Spätestens seit dieser Zeit galt den mit absoluter Mehrheit regierenden SPD Ratsdamen und Ratsherren das Kolleg als linkslastig, und das war auch richtig.
Freiwerdende Schulgebäude erhielten wir lange nicht, wir schlitterten von einem Provisorium zum nächsten - die Arbeit in verlassenen, zugigen und ungeheizten Riesenfabrikhallen im Winter war mehr als eine Zumutung - und überlebten vital. Erst 1984 konnte das Figurentheater-Kolleg sein eigenes Schulgebäude in Bochum-Langendreer beziehen, am östlichen Stadtrand; die Stadt überließ es uns unentgeltlich und übernahm die Energiekosten. Von 1980 an residierte das Institut - zeitweise zusammen mit dem Kolleg - im ehemaligen Verwaltungsgebäude von Krupp-Gussstahl (die Kriegsmaschinerien zweier Weltkriege entstehen vor Augen) in der Kohlenstrasse, dem einzig erhaltenen Baukörper inmitten einer riesigen zerbombten Industriebrache, übrigens am westlichen Stadtrand. Das waren so einige der politischen Subtilitäten, mit denen wir uns abfinden mussten.
Als ich 1980 die Leitung des Figurentheater-Kollegs abgab, konnte es bereits auf mehr als 30.000 Unterrichtsstunden, jede von mindestens 10 Teilnehmern besucht, zurückblicken, ....... Dozenten aus ...... Ländern waren verpflichtet worden, das Kolleg war gefestigt, es konnte nicht mehr untergehen. Die Leitung übernahm eine Mitarbeiterin von Ilse Hanl aus Wien, meiner bewunderten Studienkollegin. Ich sah sie als überragende Schauspielerin, sie sah sich als Wissenschaftlerin, wurde Dozentin am dortigen Theaterinstitut und gab nach dem plötzlichen Tod ihres italienischen Partners langsam und immer konsequenter auf. Ihre Mitarbeiterin Renate Thutewohl wechselte nach zwei Jahren als Dramaturgin nach Essen, und die Leitung des Kollegs war neu zu besetzen.
Ich liess die Stelle zum Beginn 1982 bundesweit ausschreiben und geriet in das Dilemma der Einzigartigkeit des Figurentheater-Kollegs. Einerseits sollte es offene Kunstakademie für mediales Theater sein, andererseits wurde es von dem fürchterlich rigiden Weiterbildungsgesetz (keine Aufnahmeprüfungen, freier Zutritt für jedefrau und jedermann, zehn anwesende Teilnehmer an jeder Unterrichtsstunde) strukturiert. Es gab mehrere sehr gute Leitungspersönlichkeiten für eine offene Kunstakademie, jedoch kaum jemanden, der etwas mit medialem Theater anfangen konnte und niemanden, der dazu das Weiterbildungsgesetz mit seinen Fallstricken kannte. Da ich aus Gründen meiner Arbeitsüberlastung nicht die Leitung des Kollegs übernehmen wollte, andererseits aber auch nicht seine Existenz aufs Spiel setzen wollte, sah ich mich bei den Kursteilnehmern im Kolleg um.
Der Kandidat war ein begnadeter Erfinder von Figuren, seiner Zeit einige Jahre voraus, die Kandidatin war ausgewiesene Pädagogin mit Verwaltungserfahrung, beide hatten im Kolleg Grund- und Aufbaustufen absolviert und leiteten selbständig eine kleine Figurentheatergruppe, von denen sich aus der Kollegarbeit mehrere bildeten, einige ausgesprochen innovativ. Ich entschied mich für die Dame. Selbst beste Menschenkenntnis hätte nicht das kommende Desaster - zum Glück nicht für das Kolleg - vorausahnen können. Sie verlor in den südamerikanischen Anden ihren Partner, er entfernte sich von der Gruppe in den dichten Nebel und wurde nicht mehr gefunden. Sie veränderte sich zu einer anderen Persönlichkeit, die Zusammenarbeit mit ihr wurde langsam schwieriger und schließlich unmöglich und trug zum Zusammenbruch des Instituts Ende 1991 bei.
Vor allem bei jenen Teilnehmern, welche die Weiterbildungseinrichtung Figurentheater-Kolleg als verkappte Ausbildungsstätte benutzten, wuchsen die Frustrationen wegen der geforderten Zusammenarbeit mit Laien und aufgrund der begrenzten finanziellen Mittel aus dem Weiterbildungsgesetz (das Institut wollte und konnte wegen eigener ständiger Knappheit der Gelder keine Zuschüsse ins Kolleg leiten). Birgit Hollack fing diese Frustrationen als Leiterin des Kollegs nicht auf, sie feuerte sie an und leitete sie auf den Institutsdirektor.
Ich verdanke dieser Entwicklung ein einzigartiges Theatererlebnis, von keiner anderen Person jemals erfahren, einen der Höhepunkte in meinem Leben. Zum Ende einer im Foyer der Stadtmuseums aus Anlass unserer FIDENA gegebenen Pressekonferenz hörte ich von draußen plötzlich meinen Namen und ging hinaus. Ich stand neben einem mir unbekannten jungen Mann, der - und nicht ich - von zwei mir ebenfalls unbekannten jungen Frauen als Dr. Klünder angesprochen wurde. Es dauerte, bevor ich begriff, dass ich mich als unerwünschte Person in einem Theaterstück befand, über mich; ich glaube, ich versuchte mitzuspielen, ein Pressefotograf war zur Stelle, das Bild am nächsten Tag in der Lokalzeitung. Hier hatte mich etwas eingeholt, was mich in meiner Zeit in Wien unter der Überschrift 'Theaterstörung' schwer beschäftigt hatte. Wir versuchten Zusammenhänge von Bühne und Zuschauer mit Straßen- und Cafetheaterexperimenten namhaft zu machen und schließlich damit, dass wir aus dem Zuschauerraum auf die Bühne gingen und uns zu den Schauspielern gesellten, was uns sehr aggressive Reaktionen von Zuschauern - nicht von Schauspielern - einbrachte. In einer unglaublichen Verdrehung wurde ich daran nun erinnert. Ich hatte keine Zeit, das zu reflektieren, denn da war meine FIDENA, und die Kolleg-Teilnehmer hatten sie mit ihrem Thema gegen mich umfunktioniert. Theater als aggressive Realität.
Bereits in den frühen achtziger Jahren hatte ich versucht, unabhängig vom Kolleg - es konnte als Weiterbildungseinrichtung weiterbestehen - eine Akademie für mediales Theater als Ausbildungsstätte einzurichten, Land und vor allem Bund (Bundesministerium des Inneren, welches mit seiner Kulturabteilung bundeseinheitliche Kulturaspekte betreute - Kultur ist in der föderalen Struktur der Bundesrepublik ansonsten strickt Ländersache) waren aufgeschlossen, und es hätte in recht kurzer Zeit die ersten Ergebnisse gegeben, wenn die CDU nicht 1982 die Bundesregierung übernommen hätte, meine Geprächspartner auf Bundesebene waren nicht mehr vorhanden. Für einen Neubeginn meiner Bemühungen für eine Akademie fehlte mir schlichtweg die Zeit.